Gartenportrait: Bewohner*innengarten „Pusteblume“

Dagmar Unterrainer, eine Gärtnerin des Bewohner*innengartens „Pusteblume“, erzählt:
Im hellen Sonnenschein lag ich dort, umgeben von einer hohen Hecke und vegetierte vor mich hin. Noch vor ein paar Tagen dachte ich noch nicht viel über mich nach. Vorwiegend war ich damit beschäftigt, das Unkraut wachsen zu lassen. Seit Jahren betrachtete mich sowieso keiner mehr und öffnete die Tür und trat herein, da war es sowieso egal, wie ich mich präsentierte. Doch manchmal gab es Tage, da fühlte ich mich richtig hässlich. Da schämte ich mich, dass ich ein brachliegendes Grundstück war und keiner sich über den Gartenzaun lehnte und einen Blick auf mich warf. Wenn jemand stirbt, sind die Menschen erschüttert, aber wenn ich so vor mich dahinvegetiere, kräht kein Hahn danach. Ihr glaubt wohl, es wäre mir einerlei, dass ich so hässlich bin. Nein, davon solltet ihr nicht ausgehen. Schaut euch doch mal die anderen Gärten an, wie liebevoll die gepflegt werden und wie bunt ihre Blumenpracht ist. Von so etwas kann ich nur träumen. Von so einer Seite kann ich mich leider nicht zeigen. Ganz im Gegenteil.

Eine Gstätten

Oh pfui, wie ich mich schäme, da kann einem ja übel werden, wenn man mich sieht. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre weit weg von hier. Aber das geht leider nicht. Ich kann doch nicht einfach davonlaufen und mich wo anders niederlassen,, denn ich gehöre nun mal hierher, auch wenn ich nicht gerade das Schmuckstück dieser Gegend bin. Ich werde hier bleiben und hoffen, dass mich irgendwann einmal jemand bemerkt und aus mir eine blühende Oase macht.

Stadtgespräch

Wenige Monate später wurde ich zum Stadtgespräch. Menschen kamen vorbei, öffneten das Tor, fotografierten, diskutierten, notierten, wogen ab, rätselten, und fragten sich, was aus mir werden könnte. Ein Parkplatz kam nicht in Frage, schließlich durfte man den ehemaligen Kinderspielplatz nicht umwidmen. Irgendwann fiel ich ins Nachdenken. Ich dachte mir, es wäre doch schön, wenn jemand sich bereit erklärte, aus mir eine blühende Oase zu machen.Diesen Gedanken wollte ich auch nicht wieder beiseiteschieben, denn ich war schon immer der Meinung, das Leben steckt voller Überraschungen. Eine blühende Oase, in der bunte Blumen wachsen, sich Schmetterlinge  tummeln und sich Bienen auf den Blüten niederlassen und die Menschen gemütlich beisammensitzen, das wäre ein Traum.

Wie alles begann

Trotzdem war ich überrascht, dass man mich überhaupt nach so vielen Jahren wahrgenommen hatte, und ich fragte mich in dem Moment, als die Frau das Grundstück betrat, warum sie das tat. Doch von einer Sekunde auf die andere war mir klar, dass sie mir an den Kragen wollte, denn die kleine Hacke, die sie mitgebracht hatte, bohrte sich schon einige Male in meinen harten Boden. Inzwischen liefen ihr die Schweißperlen von der Stirn, aber trotz sengender Hitze gab sie nicht auf. Lass sie nur, dachte ich. Das wird sie sowieso nicht schaffen. Dafür bin ich viel zu groß. Und wie sollte so ein zartes Geschöpf die tiefreichenden Wurzeln und den langverzweigten Schachtelhalm entfernen. Das war nun wirklich keine Arbeit für so eine zarte Frau. Außerdem fehlte ihr das passende Werkzeug. Da musste ein Profi ans Werk. Aber anscheinend hatte sich die Frau ein Ziel gesetzt, denn inzwischen verschwanden Unmengen von Samenkörnern in meine Erde. Na gut, dachte ich. Vielleicht setzt sie ja noch einige Zwiebeln, Rosenstöcke oder Hortensien in mein Erdreich. Wenn dann alles in bunten Farben zu leuchten anfängt, dann wäre ich zufrieden.

Die blühende Oase

In Bereich der Bahnhofstraße 28-31 in Itzling, wo früher nur ein trostloses Stückchen Erde war, wurde am 25.05.2016 der Bewohner*innengarten „Pusteblume“ eingeweiht. Initialzündung dafür war ein Stiegenhausgespräch des Bewohnerservice Itzling. Dank des großen Engagements einer Bewohnerin wurde der Garten innerhalb eines Jahres realisiert und in eine blühende Oase verwandelt. Mittlerweile ist aus dem Garten „Pusteblume“ ein Literaturgarten entstanden, in dem auch bereits Lesungen stattgefunden haben. Eine kleine Windböe hat den Samen in alle Himmelsrichtungen zerstreut und die Menschen zum Horchen eingeladen – Gedichte, Geschichten – mal traurig, mal lehrreich, mal zum Schmunzeln. Der Bewohner*innengarten freut sich auf weitere Lesungen.

Zur Autorin des Gartenportraits

Dagmar Unterrainer ist ein „Flüchtling“ aus Norddeutschland. Sie lebt allerdings bereits seit 40 Jahren in Österreich und will auch nicht mehr weg von uns „Ösis“. Sie ist nicht nur leidenschaftliche Gärtnerin in der Bahnhofstraße, sondern schreibt seit 10 Jahren Gedichte und Geschichten.

 

Kontakt

Bewohnerservice Itzling & Elisabeth-Vorstadt
Diakoniewerk Salzburg
Mag.(FH) Simone König-Goller BA
Reimsstrasse 6, 5020 Salzburg

E-Mail: simone.koenig-goller@diakoniewerk.at
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