Bericht zur 10. Gartenpolylog-Netzwerktagung

Im Garten, in dem wir uns begegnen …

Vom 22. bis zum 24. September 2017 fand in Traiskirchen die 10. Gartenpolylog-Netzwerktagung der Interkulturellen Gemeinschaftsgärten in Österreich statt. Themenschwerpunkt war diesmal „Inklusion und Gärtnern mit Menschen mit Fluchterfahrungen“. Ein Bericht von Nadja Lobner.

Was Integration von Inklusion unterscheidet und was wir voneinander lernen können

Nikolai Ritter referierte in seinem Einstiegsvortrag zum Thema „Selbstermächtigung und Inklusion“. Er rief zunächst die Bedeutung des Begriffs „Asyl“ ins Bewusstsein: „unberaubt“, „sicher“ und „Freistadt“. Nicht nur in Österreich, sondern weltweit, ist die Begegnung mit Asylwerbenden und Geflohenen anfangs mit Scham verbunden. Die gegenseitige Fremdheit muss jedoch zu Vertrautheit führen und es sind die gemeinsame Zeit und die gemeinsame Suche, die beiderseitige Bemühung um Inklusion, die diese Vertrautheit ermöglichen. Ritter versuchte eine Definition des Begriffs Inklusion, der deutlich vom Begriff der Integration abgegrenzt werden kann.

Georg Wiesinger überraschte als Moderator mit passablen Farsi-Kenntnissen, wodurch es ihm gut gelang, das große, inklusive Team des Projekts IGOR vorzustellen und zur Präsentation weiterer Gemeinschaftsgartenprojekte in Österreich sowie die Vielfalt der Anbaumethoden in unterschiedlichen Ländern überzuleiten. Vorgestellt wurden die philippinische Gruppe im Gemeinschaftsgarten der Lobauerinnen, der Gemeinschaftsgarten der Bunten Daumen in Kufstein und das Pilotprojekt Macondo. Nach einer angeregten Diskussion besichtigten die TagungsteilnehmerInnen den Garten der Begegnung in Traiskirchen.

Workshops

Der zweite Konferenztag brachte neben der großartigen Bewirtung im Heurigen Babler-Blum und im Garten der Begegnung viele interessante Workshops, von denen die TagungsteilnehmerInnen leider immer nur zwei besuchen konnten. Ich selber habe mich für Anbaumethoden in Syrien und auf den Philippinen interessiert. Die syrische Agrarwissenschaftlerin Yesra Isaak, die viele Jahre lang für das syrische Landwirtschaftsministerium gearbeitet hat, berichtet über Landwirtschaft, Parks, Botanische Gärten und private Gärten in Syrien und auch darüber, wie die syrische Regierung mit der zunehmenden Trockenheit umgegangen ist und versucht hat, durch den Bau von Bewässerungsanlagen die landwirtschaftliche Krise zu lösen. Zwei Mitglieder des philippinischen Vereins „Barangay-Center“ stellten ihr Gemeinschaftsgarten-Projekt in der Lobau vor, in dem asiatische Gemüsesorten mit philippinischen Anbaumethoden kultiviert werden. Neben Details über diese Anbaumethoden erfuhren die WorkshopteilnehmerInnen Wissenswertes über Landwirtschaft auf den Philippinen und das Problem des Landraubes, das die dort lebende Bevölkerung nicht zur Ruhe kommen lässt. Es sind demnach international tätige Bergbauunternehmen und Agrarkonzerne, die Interesse am Boden auf den Philippinen haben, der nicht nur sehr fruchtbar ist, sondern unter dem sich auch Bodenschätze wie Gold und Nickel verbergen. Umso mehr sei der Gemeinschaftsgarten in der Lobau ein Ort, der Seele und Bauch fülle, sagte die Vortragende. Für sie sei das wie eine Therapie.

Das gemeinsame Abendessen im Garten der Begegnung ließ jedoch durch die Gespräche mit den TeilnehmerInnen anderer Workshops einen Informationsaustausch zu, und es sind auch die Ergebnisse des Drachenbauworkshops und des Workshops zum Bau von Nützlingsunterkünften sichtbar geworden. Es war besonders beeindruckend, die vielen GärtnerInnen in Aktion zu sehen und mitzuerleben, wie die Outdoor-Küche im Garten funktioniert und der Duft orientalischer Gerichte das Wasser im Mund der TagungsteilnehmerInnen zusammenlaufen ließ.

Arbeitskreis Netzwerk

Am Sonntag gab es noch die Möglichkeit, am Arbeitskreis Netzwerk mitzuarbeiten und/oder verschiedene Gemeinschaftsgärten in Niederösterreich zu besuchen. Ich nahm am Arbeitskreis teil und es entwickelte sich eine sehr interessante Diskussion über die Voraussetzung für gelungene Inklusion. Wir kamen zu dem Schluss, dass fehlende Achtsamkeit für GesprächspartnerInnen, Besserwisserei, unreflektiertes Kommunikationsverhalten, ein Nicht-Umgehen können mit Schweigen und Stille und dem Wunsch nach mehr Zeit der Inklusion manchmal im Wege stehen. Es sind menschliche Eigenschaften und Emotionen, die die interkulturelle Kommunikation und das Zusammenleben erschweren. Wir sprachen darüber, dass die unausgesprochene Erwartung, nur Deutsch als Tagungssprache zu verwenden, exklusiv wirkt und Mehrsprachigkeit nicht zulässt – was aber gerade dann, wenn man auf internationaler Ebene zusammenarbeitet, die Kommunikation erleichtern würde. Der Einsatz von DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen wäre deshalb sinnvoll. Da es sich bei der Gartenpolylog-Netzwerktagung nicht um eine wissenschaftliche Konferenz handelt, sollte zukünftig noch mehr darauf geachtet werden, dass akademische Diskussionen und akademische Sprache nicht interessierte Menschen ohne universitäre Bildung ausschließt. Für interkulturelle Gemeinschaftsgärten würde Inklusion bedeuten, dass die Gestaltung von Entscheidungsprozessen von Relevanz ist. Wie entstehen zum Beispiel die geltenden Regeln in einem Gemeinschaftsgarten und auf wessen Wissen basieren diese Regeln? Wie können wir in Gemeinschaftsgärten im Umgang miteinander achtsamer werden? Gestehen wir TeilnehmerInnen das Wegbleiben, Weggehen, Sich-Nicht-Einbringen zu? Wie nehmen wir Beschwerden entgegen und wie reden wir über Konflikte im Gemeinschaftsgarten? Wie lösen wir Konflikte? Und sind Gemeinschaftsgärten Projekte, an denen auch Jugendliche mitwirken und Orte, an denen sie sich aufhalten möchten?

Langversion des Berichts als PDF-Dokument

Noch mehr Eindrücke dazu unter https://gartenpolylog.org/de/netzwerk/Netzwerk/fotogalerie-nwt-2017

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